Pavillonbauten im nachkriegsmodernen Städtebau
Studie zur Vorbereitung der Errichtung von Pavillons in der westlichen Karl-Marx-Allee

Herausgegeben von Thomas Flierl
WBM Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte mbH, Berlin 2016

Buchpremiere «Neue Pavillons für die westliche Karl-Marx-Allee»
Montag, 24. April 2017
, 13-15 Uhr in der BAR BABETTE, Karl-Marx-Allee 36, 10178 Berlin

[ Einladungskarte | PDF ]

Die geplante Errichtung von Pavillons in der Karl-Marx-Allee zwischen der Berolinastraße und dem Alexanderplatz erfordert eine bauhistorische und architekturtypologische Voruntersuchung. Sowohl für die städtebauliche und denkmalrechtliche Begründung der Fortführung der bestehenden Pavillonbauten als auch für den Entwurfsprozess selbst braucht es eine Vergewisserung, worum es sich bei den Pavillonbauten von Josef Kaiser eigentlich handelt und wie darauf heute angemessen zu reagieren ist.
Bauhistorisch gesehen sind Pavillonbauten im Städtebau eine internationale Erscheinung der Nachkriegsmoderne. Als Prototyp des modernen innerstädtischen Bauens kann zweifellos die im Oktober 1953 fertiggestellte Lijnbaan im kriegszerstörten Rotterdam gelten, deren Rezeption sowohl in der Bundesrepublik Deutschland wie in der Deutschen Demokratischen Republik nachgewiesen werden kann. In Rotterdam wurden beispielgebend Wohnscheiben mit einer Pavillonstruktur kombiniert und zu einem neuen städtebaulichen Motiv in der wiederaufgebauten Stadt entwickelt, der autoverkehrsfreien Fußgängerzone.

Die Anwendung dieser Typologie lässt sich in der Bundesrepublik in vielen Städten beobachten, hier vor allem als Anordnung von Ladenzeilen vor einer quer zu Straße stehenden Kammbebauung. Darüberhinaus hat der Bautyp des Pavillons in der Bundesrepublik eine enorme Bedeutung bei der architektonischen Formulierung einer zurückhaltenden öffentlichen Repräsentation gewonnen.
In der DDR bot der Pavillon als Sonderbau für gesellschaftliche Einrichtungen die Möglichkeit, in Verbindung mit dem typisierten Wohnungsbau einen differenzierten Städtebau zu entwickeln. Im Zuge der Neugestaltung der Stadtzentren in der DDR seit Mitte der 1960er Jahre hat die Kombination von Flach- und Hochbauten, von solitärem Pavillon und Wohnscheibe eine systematische und vielgestaltige städtebauliche Ausprägung gefunden. Erst später, im Zuge des «Wohnungsbauprogramms» der 1970er und 1980er Jahre wurden auch die «Nachfolgeeinrichtungen» des Wohnungsbaus stark typisiert und schränkten die gestalterischen Möglichkeiten für die vor allem außerhalb der Kernstädte errichteten Großsiedlungen stark ein.
Neben der städtebaulichen Untersuchung soll die Studie die architektonische Charakteristik der Pavillonbauten in der «neuen» Karl-Marx-Allee und die Spezifik der architektonischen Haltung von Josef Kaiser bestimmen. Hierzu ist insbesondere die Planungs- und Rezeptionsgeschichte der Pavillonbauten in der Karl-Marx-Allee nachzuzeichnen. Neben der Analyse der Funktionen der Pavillons im Rahmen des seinerzeitigen Verständnisses des öffentlichen Stadtraums soll auch auf die Konstruktion und die Materialität der Bauten eingegangen werden.

Die in der Studie ermittelten Befunde ermöglichen es den Architekten, für die neu zu errichtenden Pavillonbauten eine heutigen Anforderungen gemäße Serie zu entwickeln, die sich als eigene Gestaltfamilie behauptet und zugleich auf den Bestand respektvoll Bezug nimmt. Nahmen die Pavillons in der «neuen» Karl-Marx-Allee die strikte Unterordnung der Individuen in der Gemeinschaft des ‹Wohnpalastes› in der «alten» Karl-Marx-Allee zurück, indem Individuen und Gemeinschaft zwischen seriellem Wohnungsbau und Orten des kollektiven Genusses neu ausbalanciert wurden, so könnte die Entwurfshaltung heute – mehr als 50 Jahre später – an postmaterialistische Motiven anknüpfen, die den öffentlichen Raum von allgegenwärtiger konsumistischer Überfrachtung entlasten und einem neuem Verständnis urbaner Lebensweisen Ausdruck geben.

Pavillonbauten im nachkriegsmodernen Städtebau

WebWeb