Hannes Meyer. Nach dem Bauhaus. Im Streit der Deutungen
Workshop im Rahmen der «Weimarer Kontroversen» 25. Oktober 2016, 10-20 Uhr

Bauhaus-Universität Weimar
im Oberlichtsaal des Hauptgebäudes der Bauhaus-Universität Weimar
Geschwister-Scholl-Straße 8a, 99423 Weimar

Hannes Meyer (1889 –1954) war als gesellschaftlich engagierter Architekt und Sozialist einer der führenden Vertreter des Neuen Bauens, Autor der Avantgardezeitschrift ABC, 1928 Gründungsmitglied der Internationalen Kongresse für Neues Bauen CIAM, zweiter Bauhausdirektor 1928–1930. Er hinterfragte die Formalismen der klassischen Avantgarde und war zeitlebens auf der Suche nach innovativen Formen einer am sozialen Gebrauch orientierten Architektur. Der von ihm am Bauhaus entwickelte Funktionalismus-Begriff holte ihn immer wieder ein, obgleich er sich von diesem schon bald löste.
Sein Leben war gezeichnet von der politischen Geschichte des 20.Jahrhunderts: von der Genossenschafts- und der Arbeiterbewegung, von Sozialismus und Kommunismus, vom Internationalismus und der Wendung zur «nationalen Tradition», von Stalinismus und Kaltem Krieg. Eine tragische Figur zwischen den Fronten, die spätestens ab 1938 im Westen als Kommunist und im Osten als Modernist diffamiert, verschwiegen und dann weitgehend vergessen wurde. Seit den 1960er Jahren wurde er in Ost und West als profilierte Figur einer architecture engagée wiederentdeckt. Der Workshop in Weimar soll neuere Forschungen zu Hannes Meyer nach dem Bauhaus pr.sentieren und seinen Weg durch die Rezeptionsgeschichte verfolgen.

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Hannes Meyer. Nach dem Bauhaus. Im Streit der Deutungen

Projekte


Zwei deutsche Architekturen – Doppelhelix Berlin
Initiative zur gemeinsamen Beantragung von Karl-Marx-Allee und Hansaviertel in die Welterbeliste der UNESCO

Auch Hansaviertel und Karl-Marx-Allee sollen Weltkulturerbe werden
(dpa-Meldung vom 31. Juli 2012)

Architektur aus Ost und West soll jetzt als Ensemble das Gütesiegel Welterbe bekommen. Darauf hofft zumindest der Berliner Senat – und die Bürgerinitiative, die die Idee ins Rollen brachte.

Berlin will neben dem Jüdischen Friedhof in Weißensee auch das Hansaviertel gemeinsam mit der Karl-Marx-Allee als Unesco-Welterbe vorschlagen. Der Senat beschloss am Dienstag in letzter Minute, zwei Bewerbungen bei der Kultusministerkonferenz einzureichen. Das grüne Hansaviertel im Westen und die monumentale einstige Stalin-Allee im Osten sollen als Beispiel für den Städtebau im geteilten Berlin geschützt werden, wie es eine Bürgerinitiative gefordert hatte.

«Ich freue mich, dass Berlin sich dazu bekennt, zwei herausragende Nominierungen für die nationale Unesco-Weltkulturerbeliste vorzuschlagen», erklärte Stadtentwicklungssenator Michael Müller. Für die Initiative sagte der frühere Kultursenator Thomas Flierl (Linke):«Es ist wunderbar, dass eine Architektur, die in Konfrontation von Ost und West entstanden ist, jetzt gemeinsam vertreten wird. Das ist ein Zeichen für die gelungene Verständigung der Stadtgesellschaft.»

Schon am 3. Juli hatte der Senat beschlossen, den Jüdischen Friedhof Weißensee für die deutsche Vorschlagsliste zu empfehlen. Jedes Bundesland kann bis zum Mittwoch zwei Denkmäler bei der Kultusministerkonferenz anmelden. 2014 entsteht daraus eine deutschlandweite Liste, die dann schrittweise bis 2026 bei der Weltkulturorganisation beantragt wird. Mit dem Jüdischen Friedhof steht Berlin in Konkurrenz zu anderen Bundesländern: Auch Hamburg, Rheinland-Pfalz und Thüringen nominieren Denkmäler aus ihrem jüdischen Erbe.

Der zweite Berliner Vorschlag soll jetzt an die Geschichte der geteilten Stadt erinnern. Die vom Architekten Hermann Henselmann geprägte Karl-Marx-Allee in Ost-Berlin gilt als Paradebeispiel für monumentale sozialistische Architektur der Nachkriegsjahre. Als Gegenentwurf war das Hansaviertel in West-Berlin zur internationalen Bauausstellung Interbau 1957 am Tiergarten errichtet worden. Berühmte Architekten wie Oscar Niemeyer, AlvarAalto oder Walter Gropius waren beteiligt.

Der Vorsitzende des Bürgervereins Hansaviertel, Thilo Geisler, reagierte erfreut auf den Beschluss: «Das ist eine gigantische Freude, mir läuft vor Begeisterung eine Gänsehaut über den Rücken.» Das gemeinsame Vorgehen von drei Bürgerinitiativen habe sich gelohnt.

Jetzt komme es darauf an, für das weitere Verfahren breite Unterstützung zu organisieren.

Der von Thomas Flierl federführend erarbeitete Antrag der Bürgerinitiativen
kann hier als PDF + Anhang heruntergeladen werden

Tentative Liste Submission Fomat


Ernst May (1886–1970). Neue Städte auf drei Kontinenten
Ausstellung aus Anlass des 125. Geburtstages von Ernst May (2011)

28.07.2011 – 20.11.2011 Ausstellung Ernst May

Deutsches Architekturmuseum
Schaumainkai 43 · 
60596 Frankfurt am Main DAM
Öffnungszeiten
Di, Do bis Sa 11–18 Uhr · 
So 11–19 Uhr
 · Mi 11–20 Uhr
 · Mo geschlossen

Claudia Quiring/Wolfgang Voigt/Peter Cachola Schmal/Eckhard Herrel (Hrsg.):
Ernst May 1886-1970
Katalog zur Ausstellung

Deutsch / Englisch, gebundenes Buch, Pappband, ca. 312 Seiten, 24 x 30 cm,
471 farbige Abbildungen Service
Darin der Beitrag von Thomas Flierl:
«‹Vielleicht die größte Aufgabe, die je einem Architekten gestellt wurde›.
Ernst May in der Sowjetunion 1930-1933»

Platte, Siedlung, Trabantenstadt
Internationales Symposium im Rahmen der Ausstellung Ernst May 1886-1970

Freitag, 30. September 2011, 14 Uhr:
Vortrag von Thomas Flierl:
«Ernst May in der Sowjetunion. Verdrängung und Wiederentdeckung»

Ernst May (1886–1970). Neue Städte auf drei Kontinenten


Korridor der Moderne (2009)

Weiße Stadt am Meer: Die polnische Hafenstadt Gdynia entdeckt ihre architektonischen Qualitäten

Wer aus Berlin kommt, hat ein Gespür für die politische, soziale und kulturelle Topografie von Teilungen. Wer die Verschränkung der Moderne und ihrer Gegenströmungen im 20. Jahrhundert in Berlin betrachtet, muss umso faszinierter sein, wenn er das vormoderne und nach totalem Kriegsverlust rekonstruierte Stadtzentrum von Danzig/Gdansk und die Kontinuität des modernen Gdynia/Gdingen unmittelbar nebeneinander existieren sieht. Voller Selbstbewusstsein präsentiert sich Gdynia heute als Manifestation der polnischen Zwischenkriegsmoderne. Bereits zum zweiten Mal veranstaltete die Stadt ein Symposium zum Thema «Modernismus in Europa – Modernismus in Gdynia». Es gibt in Europa viele Bauten der Moderne, Siedlungen, Stadtteile oder Städte neben bereits bestehenden, nirgends aber eine so kompakte Stadt der Moderne als Neugründung. Die weiße Stadt am Meer entstand als Ergebnis des Ersten Weltkrieges. 1772 mit der ersten polnischen Teilung zu Preußen gekommen, war Gdingen ein Fischerdorf. Traditionell lebten in dem Gebiet Deutsche, Polen, Kaschuben und auch eine recht starke jüdische Minderheit. Der Versailler Vertrag bestimmte die Abtretung westpreußischer Gebiete an das 1918 unabhängig gewordene Polen und die Schaffung eines Zugangs Polens zur Ostsee, den 1920 errichteten sogenannten polnischen Korridor, dessen Gebiete die Woiwodschaft Pommern bildeten.

Nachdem sich 1920, während des polnisch-sowjetischen Krieges, kommunistische Hafenarbeiter weigerten, Waffen aus England, die für die polnische Armee bestimmt waren, zu entladen, galt der Danziger Hafen für Polen als nicht mehr sicher. So beschloss das Land den Bau eines eigenen Hafens an der Ostsee. Gdynia erhielt 1926 Stadtrecht und die Bevölkerung wuchs im Zuge des Ausbaus der «polnischen Hauptstadt des Meeres» von wenigen Tausenden auf 120 000 Einwohner (1938). Die polnische Marine, eine beträchtliche Fischfangflotte und zuletzt sieben stolze Übersee-Passagierliner waren im Hafen von Gdynia stationiert. Eine neu angelegte Eisenbahnstrecke verband Gdynia mit dem Industrierevier im ebenfalls abgetrennten polnischen Teil Oberschlesiens um Kattowitz (Katowice), sie ermöglichte den Export oberschlesischer Kohle. Für Gdynia musste die städtische Struktur völlig neu entwickelt werden. Die Ausarbeitung eines Generalplans scheiterte am absoluten Vorrang der Anlage und des Ausbaus des Hafens. Auch die Planung für ein repräsentatives, zum Meer hin ausgerichtetes Zentrum blieb unvollendet. Die ersten Wohnhäuser ab 1920 waren Ferienhäuser begüterter Warschauer auf dem Steinberg, die von Warschauer Architekten als Gartenstadt-Siedlung angelegt, einen polnischen Heimatstil präsentieren, der sich auch noch im 1923 bis 1926 von Romuald Miller erbauten Bahnhof zeigt. Der städtische Wohnungsbau setzte erst ab 1926 ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Stadt bereits mit «wilden» Barackensiedlungen zu kämpfen. Verschiedene Baugenossenschaften und eine in ganz Polen tätige Versicherungsgesellschaft traten nun auf den Plan, deren Entwürfe unter anderen von renommierten Architekten der Warschauer Avantgarde stammten. Da es darum ging, der Stadt ein Zentrum zu geben, waren nicht die Wohnsiedlungen das charakteristische Element, sondern innerstädtische Wohn- und Geschäftshäuser privater Bauherren auf einem robusten linear gerasterten Stadtgrundriss. «Durch die enge Verbindung mit der Warschauer Architekturszene setzte sich in Gdingen das Neue Bauen rasch durch und wurde zum Kennzeichen der modernen Meeresmetropole – das ‹weiße› Gdingen hob sich als Symbol des modernen polnischen Staats von der ‹preußischen› Backsteinarchitektur des Umlands ab.» Im benachbarten Danzig wurde dagegen «explizit am Bild einer historischen ‹deutschen› Stadt festgehalten», wie Beate Störtkuhl in dem Buch «Wohnen in der Großstadt 1990–1939» schreibt.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 13.10.2009)


Stadtentwicklungspolitik Berlin (2006)

Stadtmitte statt Altstadt
Die Debatte um Berlins historisches Zentrum geht weiter: Thomas Flierl antwortet auf Klaus Hartungs Plädoyer für die Renaissance der Bürgerstadt Von Thomas Flierl

Der frühere Senatsbaudirektor Hans Stimmann und die Freunde des Historischen Berlins haben eine neue Offensive gestartet. Nach dem Abriss des Palastes der Republik und der Entscheidung für Franco Stellas Entwurf für das Humboldt-Forum wird nun die «große Leere» zwischen Spreeinsel und Fernsehturm in den Blick genommen (Tsp. vom 28. 5.). Die Ideen der Stimmann- Fraktion sind in dessen Buch «Berliner Altstadt. Von der DDR-Staatsmitte zur Stadtmitte» versammelt.
Waren die 1996 vorgestellten Modelle bei der Beschlussfassung für das Planwerk Innenstadt 1999 vom CDU/SPD-Senat auch verworfen worden, werden sie nun auf absurde Weise radikalisiert. Beim Planwerk waren noch Momente eines «dialogischen Städtebaus» zwischen Vorhandenem und Verlorenem erkennbar, der Entwurf von 2009 ist zur unkritischen Rekonstruktion einer vermeintlich historischen Vorkriegssituation mutiert. Das Bestehende wird dort lediglich als Realisation der «DDR-Hauptstadtplanung» erkannt, ideologisch denunziert und aufgegeben. Kürzlich beschloss das Abgeordnetenhaus mit breiter rot-rot-grüner Mehrheit, der Senat solle «Grundsätze zur Gestaltung des grüngeprägten öffentlichen Stadtraums» zwischen Spree und Alex vorlegen – womit er sich klar gegen eine «Renaissance der Altstadt» wandte. Für Stimmann ist das der Sieg der «ewigen Ossis». Aber Berlin braucht keinen neuen Kulturkampf.
Die historische Altstadt Berlins war dadurch gekennzeichnet, dass das Rathaus nie am Marktplatz und in Sichtweite der Stadtkirche, der Marienkirche, stand. In der vom Schloss ausgehenden barocken Stadterweiterung nach Westen und Süden geriet die Altstadt in eine fast periphere Lage. Auf dem Weg Berlins zur Metropole im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde der Alex zum Platz des Ostens.

Gleichzeitig verstärkte dies die historisch bereits vorhandene Trennung der sozialkulturellen Welten östlich des Alex und westlich des Schlosses. Die «Altstadt» verlor ihre integrierende Funktion, ihre Vernachlässigung beginnt bereits Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Monumente der aufstrebenden Kommune Berlin siedelten sich «hinter» dem Rathaus an: das Stadthaus mit der geplanten Behördenstadt (und der Zentralbibliothek!) sowie das Märkische Museum.
Heute teilt dieser Bereich die Stadt nicht mehr, sondern verbindet, wenn auch noch unzureichend. Zurecht muss man das Verschwinden der historischen Substanz durch Krieg und Nachkriegsabriss bedauern. Mit «Marx-Engels-Forum» wird das Gelände aber bewusst falsch bezeichnet. Die DDR-Stadtplanung wollte nicht vor allem Marx und Engels verewigen, sie musste notgedrungen den Alex mit der Friedrichstadt verbinden und beseitigte so zugleich ein stadträumliches Defizit.
Obgleich die DDR ein «Zentrales Gebäude» mit einer Marx-Engels-Ehrung verbinden wollte, ist es ja bemerkenswert, dass auch die DDR die Staats- und Stadtseite der Spree genau zu unterscheiden wusste. Während der Palast der Republik mit Staatsratsgebäude und Außenministerium die Staatsmitte der DDR verkörperte, war der Raum zwischen Spree und Alex der Stadt gewidmet. Das Marx-Engels-Denkmal, das auf der Plattform des ehemaligen Nationaldenkmals geplant war und die gesellschaftliche Mitte hätte abrunden sollen, wanderte nur aus Mangel an Baukapazität für eine PalastTiefgarage auf die andere Spreeseite.
Das so entstandene große städtische Zentrumsband, das durch die Raumkanten von S-Bahnhof, Liebknecht-, Rathausstraße und Humboldt-Forum klar definiert und in drei Bereiche gegliedert ist – den Park an der Spree, das Forum am Rathaus und den Bereich um Marienkirche und Fernsehturm –, dieser Stadtinnenraum bietet Berlin eine große Chance.
Auch aus ökologischen Gründen plädierte das 1999 beschlossene Planwerk Innenstadt als Ausgleich für die AlexHochhäuser und die Bebauung des Friedrichswerder für die Erhaltung dieses grüngeprägten Raums. Noch wichtiger: Er verbindet endlich Marienkirche und Rathaus und weitet den mittelalterlichen Markplatz zum großstädtischen Forum mit grandiosen Bauwerken verschiedener Epochen: Marienkirche, Rathaus, Fernsehturm und demnächst: Humboldt-Forum.
Das ist die Funktion der Mitte: Hier kann sich die Berliner Bürgergesellschaft im Bewusstsein ihrer Geschichte selbst anschauen und erleben, in Freude und Zorn.

Thomas Flierl ist Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung der
Linksfraktion im Abgeordnetenhaus und war von 2002 bis 2006 Berliner
Kultursenator. (Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 02.06.2009)